TW: Beschreibung des Kontaktes zu H., Erwähnung von sexuellen Kontakten des Täters,
Ich schreibe diesen Text als Einzelperson,
die bei allen Situationen zu gegen war, welche im Nachhinein der sog.
EKG als Beweismittelvernichtung ausgelegt werden können bzw. werden.
Mir
ist es wichtig an dieser Stelle so sachlich wie möglich meine
Erinnerungen zu beschreiben, um die Fragen zu beantworten, die mir in
den letzten Wochen zugetragen oder persönlich gestellt wurden.
Wieso habt ihr die Videos nicht gesichert? Weshalb habt ihr sie vernichtet?
Ich
selbst erfuhr im September 2019, in einem Einzelgespräch mit H, von
einem Teil der Taten. Er sagte, er hätte 2016 eine Kamera auf einer der
Dixie Toiletten gefunden und später diese Aufnahmen ein paar Mal im
Internet verkauft. Davon erzählte er mir, aufgrund der Mail von
Patritzia Schlosser an die Monis Crew.
Ich
stand ihm damals sehr nah (er war mein ältester Freund) und hatte das
Bedürfnis ihm zu helfen, dass er so etwas nie wieder tut. Darauf
fokussierte sich meine Kraft und Unterstützung. Es begann eine sehr
emotional aufwühlende Zeit für mich. Heute weiß ich, dass mein Handeln
dazu beigetragen hat, dass er nicht die Verantwortung für seine Taten
übernommen hat. Außerdem habe ich durch mein Handeln, nicht meine
damaligen Mitbewohner*innen und Freund*innen geschützt. Dies war keine
bewusste Entscheidung. Diese Tatsache ist mir erst ter klar geworden.
H.
erzählte mir, dass er auf seinen persönlichen Datenträgern und
technischen Geräten bereits alle Videos gelöscht hätte. Ich glaubte ihm
das, da er rechtliche Konsequenzen fürchtete und das in meinen Augen
das einzig logische Vorgehen in solchen Situationen, für jedwede*n
Straftäter*in, ist. Für mich gab es damals keinen Moment, in dem ich
Zugriff auf die Filmaufnahmen hatte.
Im Oktober entschieden wir (ein Teil der sog. EKG) uns, ihm den Zugang zu seinem X-Hamsterprofil abzunehmen.
Nach
dem Interview mit P.Schlosser im November 2019 löschte H. in meiner
Anwesenheit den X-Hamsteraccount, um eine weitere Verbreitung der
Videos zu verhindern. Auf diesem Account waren 6 Videos öffentlich zu
sehen. Alle anderen Videos gab er (so seine Behauptung) nur gegen
Bezahlung an andere Personen weiter.
Ich
habe damals nicht darüber nachgedacht, diese 6 Videos zu sichern. Mein
Ziel war es, dass sie nicht mehr im Internet zu finden sein sollten, um
eine weitere Verbreitung zu stoppen und den Schaden für Betroffene zu
vermindern. Deswegen sollte H. sich mit Medienrechtsanwält*innen
treffen, um eine weitere Verbreitung der Videos zu verhindern. Diese 6
Videos waren die einzigen „Beweismittel“ auf die ich jemals Zugriff
gehabt habe.
Was
den Schutz Betroffener angeht war es damit für mich nicht getan. Denn
nach der Veröffentlichung der Reportage erreichten mich Fragen
verschiedener Personen die sexuellen Kontakt zu
ihm hatten. Einigen war bewusst das H. von ihnen Bilder und Videos mit
sexuellem Inhalt, einvernehmlich besaß. Sie hatten Angst, dass diese
Aufnahmen weitergegeben werden könnten. Ebenfalls kontaktierten mich
Personen, die Angst davor hatten, dass er heimlich Filmaufnahmen von
ihnen gemacht hatte. Viele Menschen waren zu diesem Zeitpunkt stark
verunsichert.
Ich
habe mich, auf Grund dieser Gespräche, dazu entschieden zu handeln. Das
habe ich getan, weil ich Leute vor seinen Taten schützen wollte.
Deshalb
durchsuchte ich am 11.1.20 mit weiteren Personen sein Zimmer, um alle
darin vorgefundenen Datenträger an mich zu nehmen und zu vernichten.
Diese
Betroffenen wollten weder, dass die Polizei die Aufnahmen erhält oder
H. weiter Zugriff auf sie hatte. Ich halte nach wie vor diese
Bedürfnisse für gerechtfertigt und hatte daher mein möglichstes getan,
um ihnen nachzukommen.
Ich
fuhr mit zwei weiteren Personen an den Ort an dem sich H., seit bekannt
werden der Reportage, aufhielt. Wir nahmen ihm zwei weitere
Festplatten ab, welche ich später ebenfalls zerstörte und er löschte
unter unserer Aufsicht seine Chatverläufe mit Freund*innen und die darin
enthaltenen Videos und Bilder.
Das
er solche intimen Aufnahmen von Personen besaß, war mir vorher nicht
bewusst. An dieser Stelle merkte ich erneut, wie stark ich mich
überschätzt hatte und die ganze Situation unterschätzt hatte. Ich dachte
ich könnte H. einschätzen und hatte geglaubt, er hätte mir alles
erzählt. Dadurch wurde mir erst spät klar, wie weitreichend die Taten
von H. und vielfältig die Gruppe der dadurch Betroffenen ist.
Das
war damals für mich eine sehr nervenaufreibende Zeit. Diese Wochen
waren sehr hart und anstrengend. Ich fühlte mich hin und her gerissen
zwischen den Wünschen und Bedürfnissen verschiedener Betroffener bzw.
Freund*innen.
Seit
mir H. von seinen Taten berichtet hat, war mir bewusst, dass später
andere Menschen über mein Handeln urteilen werden. Deswegen habe ich
mich von Anfang an dazu entschieden die Verantwortung für meine
Entscheidungen und Handlungen zu übernehmen An diesem Punkt wollte ich
ganz bewusst die Verantwortung für mein Handeln übernehmen und noch
mehr als vor der Veröffentlichung der Reportage das „Richtige“ tun. Ich
wollte den Forderungen, Wünschen und Bedürfnissen der Betroffenen
gerecht werden, welche zu diesem Zeitpunkt sehr unterschiedlich waren.
Ich
möchte am Ende nochmal festhalten, dass ich nie Zugriff auf die Videos
oder andere Beweise hatte. Ebenfalls muss ich an dieser Stelle
einräumen, dass ich H. seine Aussagen geglaubt habe und aus diesem Grund
auch nicht nach Beweisen gesucht habe.
Heute
ist mir bewusst, dass die Einbindung von anderen Betroffenen, sowie
professionellen Menschen, früher notwendig gewesen wäre.
Ich
hatte auf Grund meiner eigenen Erschütterung über seine Taten, der
zerbrochenen Freundschaft, der Sorge um die Wünsche und Bedürfnisse
anderer Betroffener und ganz anderer privater Tiefschläge aus den
Monaten davor, keinen klaren Blick für die Situation. Ebenfalls brauchte ich sehr lange um mir meiner eigenen Betroffenheit bewusst zu werden.
In
meiner Ohnmacht, versuchte ich so viel wie möglich zu organisieren und
managen. Das hat mich davon abgehalten, mal kurz durch zu atmen und mein
Handeln zu hinterfragen.
Ich hoffe, dass ich die gestellten Fragen bezüglich der "Beweismittelvernichtung" verständlich beantwortet habe.
Das
Leid, welches ich durch mein Handeln verursacht habe, bedauere ich
sehr. Ich möchte hierfür bei meinen ehemaligen Mitbewohner*innen,
(ehemaligen) Freund*innen und allen andere Betroffenen um Verzeihung
bitten.