Montag, 5. April 2021

Die Sache mit der "Beweismittelvernichtung"

 

TW: Beschreibung des Kontaktes zu H., Erwähnung von sexuellen Kontakten des Täters,




Ich schreibe diesen Text als Einzelperson, die bei allen Situationen zu gegen war, welche im Nachhinein der sog. EKG als Beweismittelvernichtung ausgelegt werden können bzw. werden.
Mir ist es wichtig an dieser Stelle so sachlich wie möglich meine Erinnerungen  zu beschreiben, um die Fragen zu beantworten, die mir in den letzten  Wochen zugetragen oder persönlich gestellt wurden.

Wieso habt ihr die Videos nicht gesichert? Weshalb habt ihr sie vernichtet?

Ich selbst erfuhr im September 2019, in einem Einzelgespräch mit H, von einem Teil der Taten. Er sagte, er hätte 2016 eine Kamera auf einer der Dixie Toiletten gefunden und später diese Aufnahmen ein paar Mal im Internet verkauft. Davon erzählte er mir, aufgrund der Mail von Patritzia Schlosser an die Monis Crew.

Ich stand ihm damals sehr nah (er war mein ältester Freund) und hatte das Bedürfnis ihm zu helfen, dass er so etwas nie wieder tut. Darauf fokussierte sich meine Kraft und Unterstützung. Es begann eine sehr emotional aufwühlende Zeit für mich.  Heute weiß ich, dass mein Handeln dazu beigetragen hat, dass er nicht die Verantwortung für seine Taten übernommen hat. Außerdem habe ich durch mein Handeln, nicht meine damaligen Mitbewohner*innen und Freund*innen geschützt. Dies war keine bewusste Entscheidung. Diese Tatsache ist mir erst sehr später klar geworden.

H. erzählte mir, dass er auf seinen persönlichen Datenträgern und  technischen Geräten bereits alle Videos gelöscht hätte. Ich  glaubte ihm das, da er rechtliche Konsequenzen fürchtete und das in  meinen Augen das einzig logische Vorgehen in solchen Situationen, für  jedwede*n Straftäter*in, ist. Für mich gab es damals keinen Moment, in dem ich Zugriff auf die Filmaufnahmen hatte.
Im Oktober entschieden wir (ein Teil der sog. EKG) uns, ihm den Zugang zu seinem X-Hamsterprofil abzunehmen.
Nach  dem Interview mit P.Schlosser im November 2019 löschte H. in meiner  Anwesenheit den X-Hamsteraccount, um eine weitere Verbreitung der Videos  zu verhindern. Auf diesem Account waren 6 Videos öffentlich zu sehen. Alle anderen Videos gab er (so seine Behauptung) nur gegen Bezahlung an andere Personen weiter.
Ich habe damals nicht darüber nachgedacht, diese 6 Videos zu sichern. Mein Ziel war es, dass sie nicht mehr im Internet zu  finden sein sollten, um eine weitere Verbreitung zu stoppen und den Schaden für Betroffene zu vermindern. Deswegen sollte H. sich mit Medienrechtsanwält*innen treffen, um eine  weitere Verbreitung der Videos zu verhindern.  Diese 6 Videos waren die einzigen „Beweismittel“ auf die ich jemals Zugriff gehabt habe.

Was den Schutz Betroffener angeht war es damit für mich nicht getan. Denn nach der Veröffentlichung der Reportage erreichten mich Fragen verschiedener Personen die sexuellen Kontakt zu ihm hatten. Einigen war bewusst das H. von ihnen Bilder und Videos mit sexuellem Inhalt, einvernehmlich besaß. Sie hatten Angst, dass diese Aufnahmen weitergegeben werden könnten. Ebenfalls kontaktierten mich Personen, die Angst davor hatten, dass er heimlich Filmaufnahmen von ihnen gemacht hatte. Viele Menschen waren zu diesem Zeitpunkt stark verunsichert.
Ich habe mich, auf Grund dieser Gespräche, dazu entschieden zu handeln. Das habe ich getan, weil ich Leute vor seinen Taten schützen wollte.
Deshalb durchsuchte ich am 11.1.20 mit weiteren Personen sein Zimmer, um alle darin vorgefundenen Datenträger an mich zu nehmen und zu vernichten.
Diese  Betroffenen wollten weder, dass die Polizei die Aufnahmen erhält oder H. weiter Zugriff auf sie hatte. Ich halte nach wie vor diese Bedürfnisse für gerechtfertigt und hatte daher mein möglichstes getan, um ihnen nachzukommen.

Ich fuhr mit zwei weiteren Personen an den Ort an dem sich H., seit bekannt werden der Reportage, aufhielt. Wir  nahmen ihm zwei weitere Festplatten ab, welche ich später ebenfalls zerstörte und er löschte unter unserer Aufsicht seine Chatverläufe mit Freund*innen und die darin enthaltenen Videos und Bilder. 
Das er solche intimen Aufnahmen von Personen besaß, war mir vorher nicht bewusst. An dieser Stelle merkte ich erneut, wie stark ich mich überschätzt hatte und die ganze Situation unterschätzt hatte. Ich dachte ich könnte H. einschätzen und hatte geglaubt, er hätte mir alles erzählt. Dadurch wurde mir erst spät klar, wie weitreichend die Taten von H. und  vielfältig die Gruppe der dadurch Betroffenen ist.

Das war damals für mich eine sehr nervenaufreibende Zeit. Diese Wochen waren sehr hart und anstrengend. Ich fühlte mich hin und her gerissen zwischen den Wünschen und Bedürfnissen verschiedener Betroffener bzw. Freund*innen. 
Seit mir H. von seinen Taten berichtet hat, war mir bewusst, dass später andere Menschen über mein Handeln urteilen werden. Deswegen habe ich mich von Anfang an dazu entschieden die Verantwortung für meine Entscheidungen und Handlungen zu übernehmen An diesem Punkt wollte ich ganz bewusst die Verantwortung für mein  Handeln übernehmen und noch mehr als vor der Veröffentlichung der Reportage das „Richtige“ tun. Ich wollte den Forderungen, Wünschen und Bedürfnissen der Betroffenen gerecht werden, welche zu diesem Zeitpunkt sehr unterschiedlich waren.
Ich möchte am Ende nochmal festhalten, dass ich nie Zugriff auf die Videos oder andere Beweise hatte. Ebenfalls muss ich an dieser Stelle einräumen, dass ich H. seine Aussagen geglaubt habe und aus diesem Grund auch nicht nach Beweisen gesucht habe.
Heute ist mir bewusst, dass die Einbindung von anderen Betroffenen, sowie professionellen Menschen, früher notwendig gewesen wäre.
Ich hatte auf Grund meiner eigenen Erschütterung über seine Taten, der zerbrochenen Freundschaft, der Sorge um die Wünsche und Bedürfnisse anderer Betroffener und ganz anderer privater Tiefschläge aus den Monaten davor, keinen klaren Blick für die Situation. Ebenfalls brauchte ich sehr lange um mir meiner eigenen Betroffenheit bewusst zu werden.
In meiner Ohnmacht, versuchte ich so viel wie möglich zu organisieren und managen. Das hat mich davon abgehalten, mal kurz durch zu atmen und mein Handeln zu hinterfragen.


Ich hoffe, dass ich die gestellten Fragen bezüglich der "Beweismittelvernichtung" verständlich beantwortet habe.
Das Leid, welches ich durch mein Handeln verursacht habe, bedauere ich sehr. Ich möchte hierfür bei meinen ehemaligen  Mitbewohner*innen, (ehemaligen) Freund*innen und allen andere Betroffenen um Verzeihung bitten.